Julius Hübner                            1869

1806 – 1882

 

Salomon II.

 

Als er das Haus Jejova’s nun erbaut,

Und seine Weisheit überall erkannt

Sabäa’s Königin aus fernem Land

Gekommen und sein Angesicht erschaut:

 

Da kannt’ er jeden Baum und jeded Kraut,

Die Ceder und den Ysop an der Wand,

Jedwede Krankheit heilte seine Hand,

Der Vögel Sprache selbst war ihm vertraut.

 

Mit Namen nannt’ er all’ und jedes Ding,

Er wußte, was da ist und was gewesen,

Der Geister Kräfte band sein Zauberring.

 

Und als er ganz der Schöpfung Schrift gelesen,

Sein Haar ergraut war und er hochbetagt:

„`s ist Alles eitel!“ – hat er da gesagt!

 

 

 

 

Tag und Nacht

Zu einer Zeichnung

 

Apollo lenkt die Rosse himmelan,

Der Sonnnwagen steigt am Aetherbogen,

Aurora ist ihm schon vorangezogen

Und streuet Rosen auf des Gottes Bahn.

 

Den Liebling darf sie sanft so früh’ umfah’n,

Den schönen Cephalus, dem sie gewogen,

Und Amorinen kommen angeflogen,

Dem holden Paar mit Kränzen sich zu nah’n.

 

Die Sterne müssen vor der Sonn’ erbleichen

Und sinken müde in den Schooß der Nacht,

Die unten thront in ewig dunklen Reichen.

 

Ihr ruhen Schlaf und Tod zu beiden Seiten,

Wenn einer wohl, der andre nie erwacht,

Und Luna’s Schein glänzt mild durch Dunkelheiten.

 

 

 

Dort

 

Werd’ ich dich einst dort oben wiedersehen,

Dann ist, von dunkler Körperhaft befreit,

So leuchtend deiner Schönheit Himmelskleid,

Daß thronend mir die Augen übergehen.

 

Doch Schmerzen dürfen dort nicht mehr bestehen;

Du siehst mich an – vorbei ist alles Leid,

Ich schaue dich zum Engel neu geweiht,

Und lächelnd hörst du meiner Seele Flehen.

 

Dort, wo die Liebe einzig Element,

Wo wir in ew’ger Lieb’ uns Alle finden,

Ist auch die Liebe rein von Leid und Sünden.

 

Dort, wo die Leidenschaft nicht mehr entbrennt,

Wo Eines wir im Andern selig leben,

Wird Himmelsschönheit uns zu Gott erheben.

 

 

 

Unschuldsengel

 

Das reine Göttersiegel auf der Stirne,

Es ist verlöscht – doch nein! verdunkelt nur,

Noch leuchtet eine leise Dämmerspur,

Ach! nicht, wie sonst, der Glanz der Alpenfirne!

 

Ein Wolkenschleier hat sich d’rum gewoben,

Ein Leidenszug, ein irdischer Contour;

Doch wie ein Blitz durch dunkle Wolken fuhr,

Wird manchmal wohl des Schleiers Druck gehoben.

 

Wohl, wenn sich nach und nach die Wolken heben,

Ein milder Schein den Lebensabend hellt,

Die ew’ge Gnade das Verlor’ne sühnt.

 

Doch, weh! wenn immer tiefer sinkt das Leben,

Die Seele der Gemeinheit Sumpf verfällt,

Bis Frechheit sich zu wildem Trotz erkühnt.

 

 

 

Dioskuren

 

Zwei Brüder gab’s, unsterblich war der Eine,

Der And’re an das Erdenlos gebannt;

Sie gingen jugendselig Hand in Hand,

Voll Schicksalstrotz in liebendem Vereine.

 

Die Dioskuren sind es, die ich meine,

Ein himmlisch Zwillingspaar, euch wohlbekannt,

Castor und Pollux waren sie benannt,

Als Sterne leuchtend noch mit hellem Scheine.

 

Und als der Sterbliche den Tod rlitten,

Da hat der And’re willig sich entschlossen,

Sein ewig Leben halb mit ihm zu theilen.

 

Abwechselnd wird des Daseins Lust genossen:

Der Eine sinkt, im Hades zu verweilen,

Der And’e steigt zum Licht mit Götterschritten.

 

 

 

Natur

 

Frei nach Goethe

 

Natur! von dir umgeben und umschlungen,

Aus dir heraus nicht, tiefer nicht hinein

In dich bringt uns der strengsten Mühe Pein,

Du hältst uns fest, bis wir in Schlaf gesungen.

 

Wir folgen deinem Willen sanft gezwungen

Gehorsam, wollten wir es auch nicht sein;

Du sprichst durch uns, und was wir thun, ist dein,

Denn Herz und Zungen sind von dir durchdrungen.

 

Doch deine höchste Krone ist die Liebe!

Durch einen Trunk aus ihren Nektarschalen

Hältst du uns schadlos für des lebens Qualen.

 

Du führtest mich herein in dies Getriebe,

Du, Mutter, wirst dein eigen Kind nicht hassen,

Von dir will ich hinaus mich führen lassen.

 

 

Die Pflanze

 

Zum Licht aus Grabesdunkel strebt die Pflanze,

Und aus der Wurzel hebt sich an dem Stiel

Je Blatt um Blatt und Zweig um Zweig zum Ziel,

Das die Verwandlung krönt im Blüthenkranze.

 

Am Boden festgebannt, folgt sie dem Glanze

Mit Knospenprangen, der Gestirne Spiel,

Zu zarter Windung zwingt ein Urgefühl

Sie um sich selber nach der Sphären Tanze.

 

Zwiefach Gebot bedinget so ihr Leben;

Von innrem Drang, ihr Wesen zu erfüllen,

Nach schon im Keim verborg’nem Ideale,

 

Von außen Himmelskräfte, die sie heben,

Und beugen sanft den starren Eigenwillen

Zum Urgesetz unendlicher Spirale.

 

 

 

Der neue Petrarca

 

Nicht meiner laura Preis hab’ ich gesungen

In dieser nüchtern-sachverständ’gen Zeit,

Die, ach! den Geist nur allzusehr befreit

Von süßen Banden, die ihn sonst umschlungen.

 

Und doch ist manch’ Sonett mir wohl gelungen,

Denn was mein Herz ergriffen nah’ und weit,

In Gegenwart und in Vergangenheit,

Der eignen Seele hab’ ich’s vorgesungen.

 

Dem Vaterland, der Freiheit und dem Leben,

Der Liebe und den höchsten Idealen,

In Scherz und Ernst mein Saitenspiel ertönt.

 

Die frische Kraft, die mir ein Gott gegeben,

Hat mir im Dichten treulich wie im Malen

Des Lebens heißen Arbeitstag verschönt.